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NEWSLETTER 04/2006



Brigitte Witzer Wir hatten mit Frühling gerechnet und haben Schwimmen gelernt. Soviel Regen, solche Kälte! Es kann also nur noch besser werden. Natürlich auch für den Fußball. Dort erlebten wir streckenweise postheroische Zustände rund um den Bundestrainer, der mit Integrität und verstörend neuen Methoden viele Stammtische beschäftigte und einige Medien das Fürchten lehrte.

Aus den Medien kommt auch der Partner für das aktuelle Interview: Guido Bolten ist heute Geschäftsführer von kabeleins. Er ist ganz offensichtlich jemand, der sowohl leitet als auch führt. Verblüffend genug, denn wer erwartet das schon im Privatfernsehen? Eine offene Kommunikation und Zielklarheit, Bereitschaft, sich Unterstützung zu holen – das klingt gut. Und auch gar nicht öffentlich-rechtlich.

Wie steht es denn mit Ihnen selbst in Sachen Leitung oder Führung? Wenn Sie bei Führung nachrüsten möchten, dann freut Sie eventuell unser Vorschlag in „Instrumente des Coachings“: Was verstehen Sie eigentlich – in der gebotenen Kürze – unter Führen? Selbst „alte Hasen“ können durchaus einmal hineinlesen. Sollten die Fragen am Textende irrelevant sind: Herzlichen Glückwunsch!

Dann spricht Sie vielleicht das Thema „Haltung“ an. Das steht im Zeichen des postheroischen Managements, wird recht ausführlich aufgeblättert und mit einer Südstaatengeschichte abgerundet. Irgendwo muss die Sonne ja herkommen!

Die benötigen auch Fußball-Unberührte wie ich. Ihnen eine gute Zeit, mit und ohne Ball, auf jeden Fall aber: mit deutlich mehr Wärme als bisher! Und diese entsteht zur Not auch aus Reibung.

Ihre
Brigitte Witzer
MENSCHEN: Coaching und privater Rundfunk

INTERVIEW MIT Guido Bolten.


Geschäftsführer den Fernsehsenders kabeleins

Guido Bolten Guido Bolten, 44, leitet seit Januar 2006 als Geschäftsführer den Fernsehsenders kabeleins, der zur Pro7Sat1-AG gehört. Der gelernte Journalist studierte in Köln und arbeitete in den letzten 17 Jahren bei verschiedenen Radio- und TV-Stationen, anfangs als Kommentator und Moderator, später als Redaktionsverantwortlicher und dann als Chefredakteur bei Pro7. Er ist verheiratet, Vater dreier Söhne und einer Tochter.

Guido Bolten und Brigitte Witzer sind seit drei Jahren miteinander in Austausch und Kontakt, zusammengebracht von einem starken Kommunikator, der sowohl im persönlichen Netzwerk des einen als auch der anderen wichtig ist und war. Diese Vertrauensebene führte von Anfang an zum „Du“ im Umgang miteinander – eine Anrede, die eher ungewöhnlich im Executive Coaching ist, in diesem Interview aber auch nicht der Form halber kaschiert werden soll.

evolutionen: Wie bist Du selbst an Coaching gekommen?

Guido Bolten: So kurios es klingen mag: Instinktiv – und über Umwege. Nach 15 Jahren in den Medien kam ich im Jahr 2000 zu ProSieben und damit erstmals zu einem privaten Sender, der schon Strukturen und reichlich Mitarbeiter hatte. Bei allen anderen Stationen zuvor ging es in meiner Aufgabe immer um einen Neustart und einen kompletten Neuaufbau. Diese Pionieraufgaben ließen einerseits überhaupt keinen zeitlichen Raum für ein solches Thema, andererseits brachte die immer von Offenheit geprägte Grundsituation erst gar nicht die Notwendigkeit.

Bei ProSieben dagegen traf ich auf einen etablierten Bereich – die Chefredaktion – mit drei täglichen Inhouse-Formaten und 150 Mitarbeitern sowie diversen externen Formaten. Eine Struktur gab es nicht, nur die: Drei autarke Redaktionsleiter berichteten an meinen Vorgänger, Kommunikation untereinander und zwischen deren Teams war nicht gelernt, nicht Standard – sicher nicht aus böser Absicht. Jeder arbeitete mit vollem Einsatz, nach bestem Wissen und Gewissen, aber eben sehr isoliert. Was folgte, war eine mühsame Zeit: Widerstände, Irritationen, zum Teil offene Verweigerung der Zusammenarbeit der Kollegen untereinander. Der oben genannte „Umweg“ entstand dann über und mithilfe der Personalabteilung.

Anlass war ein enorm wichtiger Workshop mit den Redaktionsverantwortlichen von Galileo. Problemstellungen, Konflikte und die bisherige Kultur des Miteinanders wurden offen diskutiert. Galileo stand vor der Absetzung, das Format war teuer und wenig gesehen. In diesem Rahmen bewegten wir uns – und „sich“ schließlich die Menschen. Dies war lehrreich und zeigte zweierlei: Die Kollegen unserer Personalabteilung, die geholfen hatten, gerieten in eine schwierige Position gegenüber den Mitarbeitern. Sie fungierten als Ratgeber und Coach in einer Funktion – das war nicht vereinbar. Zugleich gab es offensichtlich hier großes Potenzial, die täglichen Sendungen auch mittels Coaching voranzubringen.

evolutionen: Was daran war so anders und wesentlich, dass Du weiter mit Coaching arbeitest?

Guido Bolten: Anders war zunächst einmal, dass dem Thema Coaching jenseits des Tagesgeschäfts überhaupt soviel Zeit eingeräumt wurde. Das Miteinander wurde so wichtig wie MAZen (1), Kommunikation so bedeutend wie Kosten und Relationships trafen auf Ratings. Somit ist „anders“ der falsche Begriff. „Neu“ würde es besser treffen - eine zusätzliche Möglichkeit, sein tägliches Rüstzeug zu erweitern.

Unterm Strich würde ich heute – in der Nachbetrachtung – sogar urteilen, dass hier die Hälfte des gesamten Potentials entstanden ist, die Sendung nicht nur am Leben zu erhalten, sondern mittelfristig so erfolgreich zu machen: Die Sendermarke ProSieben, entsprechende Budgets, Sendeplätze, das Konzept, der Moderator auf der einen Seite – die Menschen und der Input von außen auf der anderen Seite. Niemand im genannten Kollegenkreis hatte ja Erfahrung mit Coaching, mit Führung. „Learning bei doing“ war in den Jahren zuvor die Praxis, jeder so gut er konnte, aber eben ohne professionelle Unterstützung.

evolutionen: Wie sieht die Unterstützung durch die Personalabteilung im Konzern aus?

Guido Bolten: In der ProSiebenSAT.1Media AG hat sich in den vergangen fünf Jahren auf diesem Gebiet enorm viel bewegt. Einerseits – siehe oben – schien in der jungen aufstrebenden Branche Nachholbedarf. Es kommt ja in der Regel niemand als Führungskraft und Strategie-Experte auf die Welt. Andererseits wuchsen und wachsen ständig die Herausforderungen. Die Personalabteilung im Konzern hat dies erkannt und entsprechende Tools installiert: Sowohl ein Führungskräfte-Entwicklungs-Programm, das viele klassische Basisbausteine des Coachings vermittelt, als auch die Unterstützung des Engagements externer Trainer.

evolutionen: Wo und wann ist Coaching auch für Mitarbeiter der geeignete, gute Weg?

Guido Bolten: Meines Erachtens ist ein regelmäßiger Input sowohl für „Neueinsteiger“ als auch für alte Hasen wichtig. Die einen verschaffen sich und ihren Mitarbeitern eine Basis, die anderen schleifen nach, halten sich und ihre Teams wach im Miteinander. Grundsätzlich hilft ein Coaching immer dann, wenn akute Problembaustellen anstehen oder aber zumindest eine Stagnation im Sinne eines „Nicht-weiter-Wissens“ oder auch eine Sättigung im Erfolg entstanden sind. Coachen ist ja Lehren/Trainieren, das kann eigentlich nur jemand ablehnen, der täglich 100 Prozent performed. Ich kenne niemanden, der das kann.

evolutionen: Was bedeutet das aus Deiner Sicht für die Kultur des Unternehmens, das Du als Geschäftsführer leitest?

Guido Bolten: „Coaching wollen und aktiv vorantreiben“ heißt, „sich bewegen, etwas verändern, etwas besser machen wollen“. Wer den Einheitsbrei mag, mit der immer gleichen Leistung, somit dem Standard-Output zufrieden ist, der kann sich die Zeit, die Anstrengung und die Investition sparen. Aber es sind sicher wenige Märkte in greifbarer Nähe, in denen man sich das heute noch leisten kann. Selbst Einzelprodukte, die seit 30 oder 40 Jahren mit immer derselben Rezeptur und in gleicher Qualität hergestellt werden, brauchen wohl in Teilen Ihres Konsumweges zum Verbraucher neue Inputs, Ideen, Bewegungen - und die kommen nicht nur durch Geistesblitze, sondern auch durch die positive Reibung zwischen den Menschen. Da wir aber alle auch von Natur aus bequem sind, ist es doch gut, wenn wir uns gegenseitig immer wieder nach vorne bewegen. Am Ende hat es mit Lust auf Leistung und der Qualität der Arbeit zu tun! Beides ist bei mir auch durch das Erleben und Initiieren von Coachings gestiegen.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Brigitte Witzer.

(1) MAZ ist die Abkürzung für Magnetbildaufzeichnung, gem. Fremdwörterduden: MAZ, die: Vorrichtung zur Aufzeichnung von Fernsehbildern auf Magnetband. (Duden, Das Fremdwörterbuch, Bd. 5, Duden-Verlag, Mannheim, 7. Auflage)

INSTRUMENTE DES COACHINGS (Teil 4):

fÜhrung verabreden zwischen fÜhrungskraft und mitarbeiter.



Wenn eine gute Führungskraft
ihre Arbeit gut macht, sagen die Mitarbeiter:
Wir haben das alles selbst getan.


Führung
Die Arbeit jeder Führungskraft ist eine Arbeit mit Menschen. Darum ist Menschenführung das Herzstück aller Managementpraxis. Doch gerade für jüngere Führungskräfte gilt: Es verstehen sich viele Führungskräfte als oberste Fachleute, die neben dieser fachlichen Arbeit ihre Teams motivieren und führen wollen, sollen, müssen. Solange die eigenen Kräfte unendlich scheinen, funktioniert oft beides gleichzeitig. Aber irgendwann wird der Druck zu groß und fordert einen anderen Umgang mit Führung.

Dann geht es um die entscheidende Frage: Wie gewinne ich meine Mitarbeiter dafür, ihr Potenzial auszuschöpfen, ihren höchsten Grad an Kompetenz zu erreichen und sich voll zu engagieren für die gemeinsamen Ziele? Oder anders: Wie werde ich endlich den wachsenden Druck los, dass ständig mehr Arbeit und Verantwortung an mir hängen bleiben? Wie also muss ich führen?

Ausgehend vom Grundsatz, dass alle Menschen verschieden sind, müssen alle verschieden behandelt werden. Jeder Vorgesetzte, der gute Arbeit mit Menschen leisten will, muss also seinen Führungsstil dem jeweiligen Mitarbeiter anpassen. Das bedeutet im Detail folgendes:
  1. Flexibilität
    Jede Führungskraft kann verschiedene Führungsstile flexibel handhaben.
  2. Diagnose
    Sie erkennen die Bedürfnisse der Mitarbeiter.
  3. Absprache
    Es gibt eine verbindliche gemeinsame Vereinbarung, welche Art der Führung angemessen ist.
Voraussetzung dafür ist der Wunsch, kooperativ oder partizipativ zu führen, oder anders gesagt: Die generelle (positive) Annahme, dass alle Mitarbeiter das Potenzial haben, gute Leistungen zu erbringen.

Verschiedene Führungsstile flexibel handhaben
Grundlegend sollten folgende vier Führungsstile für Führungskräfte bekannt und aktiv einsetzbar sein:
  1. Lenken und dirigieren
  2. Anleiten und trainieren
  3. Unterstützen und sekundieren
  4. Delegieren
Sie benötigen diese Führungsstile in Abhängigkeit von Engagement und Kompetenz des Mitarbeiters. Schauen wir auf folgendes Portfolio, dann finden Sie Anlass für 1. Lenken und dirigieren da, wo die Kompetenz des Mitarbeiters niedrig, aber hohes Engagement vorhanden ist. Der 2. Stil, anleiten und trainieren, ist nötig, wenn einige Kompetenz vorhanden ist, aber das Engagement des Mitarbeiters niedrig ist. Dann lenkt und überwacht die Führungskraft hier gewissenhaft die Durchführung der Aufgabe, bespricht aber ihre Entscheidungen mit den Mitarbeitern, bittet sie um Vorschläge und unterstützt ihre Fortschritte.

Der 3. Stil, das Unterstützen und Sekundieren, empfiehlt sich für hochkompetente Mitarbeiter mit schwankendem Engagement. Konkret: Die Führungskraft fördert und unterstützt hier die Mitarbeiter bei der Durchführung der Aufgabe und teilt die Verantwortung für die zu fällenden Entscheidungen mit ihnen. Die meisten Führungskräfte tun sich schwer mit Stil 4, also im Delegieren, das bei hoher Kompetenz bei hohem Engagement Gebot der Stunde ist.

Ein mögliches und praxiserprobtes Vorgehen: Stimmen Sie Fremd- und Selbstbild Ihres Mitarbeiters ab mit diesem Portfolio. Das wirkt oft schon Wunder. Anschließend verabreden Sie gemeinsam, wie Sie führen und was das für den Mitarbeiter heißt.

führungsstil

Aus Führungsarbeit einen dynamischen Prozess machen: mit Zielen, Lob, Kritik

Ziele
lenken die Tätigkeit der Mitarbeiter von Anfang an in die gewünschte Richtung. Sie lassen die Führungskraft erkennen, ob ein Mitarbeiter die Kompetenz und das Engagement besitzt, gute Leistungen zu erbringen.

Lob
hilft den Mitarbeitern als positive Rückmeldung auf eine gute Arbeit, diese erkennen zu können. Lob ermöglicht der Führungskraft, schrittweise mehr Freiraum zu geben.

Kritik
dient dazu, schlechte Leistungen abzustellen. Gegebenenfalls muss die Führungskraft auf Basis dieser Kritik den Mitarbeiter enger führen als zuvor.

Aufgaben zur Nutzung dieser Unterlage:
Meine wichtigsten Mitarbeiter sind:
  1. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  2. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  3. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….

In folgenden Situationen ergeben sich für mich schwierige Lagen bzw. Probleme mit

  1. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  2. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  3. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
Wie regele ich das bislang? Mit welchem Ergebnis?
  1. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  2. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  3. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
Was könnte besser klappen?
  1. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  2. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  3. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
Was werden Sie ändern?
  1. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  2. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
  3. ………………………………………………………………………………………………………………………………………….
Zum Abschluss:
Zeichnen Sie für jeden Mitarbeiter ein Portfolio, und schätzen Sie ihn oder sie ein. Was meinen Sie, wird der Mitarbeiter sich ähnlich oder ganz anders sehen? Woher rührt die mögliche Differenz?
Postheroisches Management und „Die Zeit der Helden ist vorbei“ (2):

GANZ OBEN AUF DER WUNSCHLISTE
VON MITARBEITERN: KLAR ERKENNBARE HALTUNG IM MANAGEMENT.



Haltung ist nicht nur für postheroische Manager ein echtes Thema, sondern offenbar aktuelle im Trend. Die aktuelle „Psychologie heute“ titelt etwa in diesem Monat mit dem Zusammenhang von Stimmung und Haltung. Im Management ist Haltung – um diesen Zusammenhang aufzugreifen – auch für die Stimmung im Unternehmen zuständig.

Wovon genau ist hier die Rede? Haltung heißt zum einen, einen eigenen Halt haben, heißt ebenso, anderen Halt zu bieten und auch, anderen Einhalt zu gebieten. Mit unserer Haltung bestimmen wir Grenzen, Möglichkeiten und Rahmen für uns und auch für andere. Haltung ist natürlich über den Beruf und die Arbeitssituation hinaus relevant, aber Wirkung und Einfluss der Berufssituation sind nicht zu unterschätzen.

Haltung und Verhalten hängen eng zusammen. Einerseits steuert unsere Haltung unsere Art zu handeln, zu entscheiden und zu leben, andererseits beeinflusst die Art zu leben unsere Haltung. Oder um es noch ein wenig stärker zu pointieren: Unsere Haltung beeinflusst nachdrücklich unser Verhalten, unser Verhalten wirkt aber zurück auf unsere Haltung. Wir können nur schwerlich unbeschadet längere Zeit mit einer einschränkenden, uns beeinträchtigenden Arbeitssituation zurecht kommen, ohne Probleme körperlicher oder psychischer Art zu spüren, die sich auf unser gesamtes Leben auswirken.

Für viele Menschen zeigt sich die innere Haltung in der äußeren. Wer aufrecht geht, erscheint uns als ein aufrichtiger Mensch sein. Aus solchen und ähnlichen Analogien können sich interessante, teils verrückte weitere Fragen ergeben: Wer liegt, kann der aufrichtig mit uns sprechen? Wir kennen die bildhafte Rede vom Radfahrer, die uns den Kollegen zeigt, der nach oben eher den Kopf einzieht, sich nach unten eher abstrampelt – wenn es schlecht läuft, buckelt er nach oben und tritt nach unten.

Blicken wir noch aus einer weiteren Perspektive auf den Begriff: Wenn es um Haltung geht, ist eine Verhaltensänderung oft wenig hilfreich. Wer sich nicht wirklich gegen das Rauchen entschieden hat und sich damit nicht in der Haltung eines bewussten „Freiatmers“ befindet, der kann sich getrost eine Raucherentwöhnung sparen und die mühsame Arbeit an Verhaltensmustern bleiben lassen. Allerdings: Manchmal merkt einer erst beim Verhaltenstraining, dass das Rauchen schon längst überwunden und es plötzlich ganz leicht ist, ohne Zigarette zu leben. Die nötige Haltung hatte sich unbemerkt längst eingestellt. Leider ist das die Ausnahme. Im Allgemeinen lässt sich sagen: Wenn die Haltung nicht stimmt, verkommt die Arbeit am Verhalten zur einer nutzlosen beschäftigungs­thera­peu­tischen Maßnahme.

Andersherum ist es nicht nötig, immer sofort von Haltung zu sprechen, wenn Verhalten gemeint ist. Wenn Sie es nicht geübt haben, Sitzungen zu leiten, dann könnte eine schlechte erste Moderation ein Zeichen für fehlendes Verhaltenstraining sein. Hilft das nicht zur Verbesserung, dann wird ein Blick auf ihre Haltung zum Teilnehmerkreis, zum Thema und zu Ihrer Aufgabe nötig sein, um Veränderung herbeizuführen und also Licht ins Dunkel zu bringen.

Genau diese Unterscheidung liegt nicht immer auf der Hand: Hapert es an der Haltung? Oder liegt nur ein Mangel im Verhalten vor? Um das Moderations­beispiel aufzugreifen: Wenn Sie den Teilnehmerkreis nicht respektieren, dann bringt Ihnen ein Verhaltenstraining zur Moderationstechnik zwar, dass Sie professioneller moderieren. Dem folgt aber nicht zwangsläufig die nötige Veränderung im Klima, im Umgang miteinander und damit meist auch nicht in der Erreichung der gemeinsamen Ziele. Hier ist es sinnvoll, am Thema Respekt und an Ihrer Haltung zu anderen zu arbeiten.

Aus dem Beratungsalltag kenne ich etwa den Wunsch, auch in komplexen Organisationen eine Haltung von Augenhöhe, also gelebte Gleichwertigkeit im Umgang miteinander herzustellen. So angenehm, zukunftsweisend und menschenwürdig sich das auch anhört, so schwierig ist die Umsetzung. Wenn sich das Verhalten beispielsweise der Führungskräfte ändert, dann muss sich noch keineswegs die Haltung dahinter geändert haben.

Haltung lässt sich nur begrenzt simulieren; möglicherweise ist es genau diese Einschränkung, die augenblicklich ihre Attraktion in Coaching und Beratung ausmacht. Es fällt schwer, vom gleichwertigen Umgang mit ihren Kollegen und Mitarbeitern zu reden, möglicherweise die oben zitierte Haltung von gleicher Augenhöhe zum Beispiel zwischen Service- und Profitcenter-Leitern zu reklamieren, wenn Sie selbst dabei, bildlich gesprochen, immer von einem kleinen Treppchen aus Augenhöhe herstellen, indem Sie sich ein wenig bücken. Das kann für den vorhin zitierten Moderationsfall etwa heißen: Einigen mehr Redezeit zugestehen als verabredet, Spielregeln nur für die anderen verbindlich machen oder Spielregeln als Führungskraft nur fallweise einfordern, für sich selbst ständig Ausnahmen und Einzelfälle reklamieren, diese aber nicht vorher transparent zu machen.

Eine solcher Widerspruch zwischen Haltung und Verhalten lässt sich nur bis zu dem Zeitpunkt aufrecht erhalten, an dem ein Kollege oder Mitarbeiter das Treppchen „enthüllt“. Dann ist die Täuschung, auch die Selbst-Täuschung an ihr natürliches Ende gekommen, die Ent-Täuschung oft genug groß, aber zumindest eins ist sicher: Die Karten können neu gemischt werden. Und vielleicht kommt der Treppchenbesitzer zu der Einsicht, dass die Zeit der Überhöhung vorbei ist und man den altvertrauten Behelfssockel sehr wohl im Keller deponieren kann, bevor man ihn nach einer angemessenen Verrottungspause gänzlich zu entsorgen bereit ist.

Einen Meister der Veränderung von Haltung hat uns Mark Twain mit Tom Sawyer geliefert. Huck war derjenige mit den überraschenden Perspektiven und irritierenden Ideen, Tom der eigentlich eher brave, der sich diese unorthodoxen Sichtweisen aber gut zu eigen machen konnte. Sie erinnern sich an die Aktion „Tante Pollys Zaun“?

Tom überschaute seine Arbeit mit dem Auge eines Künstlers. Dann machte er mit dem Pinsel noch einen eleganten Strich und übte wieder Kritik. Ben rannte zu ihm hin. Tom wässerte den Mund nach dem Apfel, aber er stellte sich ganz vertieft in seine Arbeit. Ben sagte: „Hallo, alter Bursche, Strafarbeit, was?“

„Ach, bist du's, Ben. Ich hatte dich nicht bemerkt.“

„Weißt, ich geh' grad zum Schwimmen. Würdest du gern mitgehen können? Aber natürlich, bleibst du lieber bei deiner Arbeit, nicht?“


Tom schaute den Burschen erstaunt an und sagte: „Was nennst du 'Arbeit'?“


„Na, ist das denn 'keine' Arbeit?“


Tom betrachtete seine Malerei und sagte nachlässig: „Na, vielleicht 'ist' das Arbeit, oder es ist 'keine'
Arbeit, jedenfalls macht es Tom Sawyer Spaß.“


„Na, na, du willst doch nicht wirklich sagen, dass dir das da Spaß macht?!“


Der Pinsel strich und strich.


„Spaß? Warum soll's denn 'kein' Spaß sein? Kannst 'du' vielleicht jeden Tag einen Zaun anstreichen?“

Ben erschien die Sache plötzlich in anderem Licht. Er hörte auf, an seinem Apfel zu knuppern. Tom fuhr mit seinem Pinsel bedächtig hin und her, hin und her, hielt an, um sich von der Wirkung zu überzeugen, half hier und da ein bisschen nach, prüfte wieder, während Ben immer aufmerksamer wurde, immer interessierter. Plötzlich sagte er: „Du, Tom, lass 'mich' ein bisschen streichen!“

Tom überlegte, war nahe daran, einzuwilligen, aber er besann sich: „Ne, ne. Ich würde es herzlich gerne tun, Ben. Aber – Tante Polly gibt so viel gerade auf diesen Zaun, gerade an der Straße - weißt du. Aber wenn es der 'schwarze' Zaun wäre, wär's 'mir' recht und 'ihr' wär's auch recht. Ja, sie gibt schrecklich viel auf diesen Zaun, deshalb muss ich das da 'sehr' sorgfältig machen! Ich glaube von tausend, was - zweitausend Jungen ist vielleicht nicht einer, der's ihr recht machen kann, wie sie's haben will.“


„Na - wirklich? - Du - gib her, nur mal versuchen, nur ein klein - bisschen versuchen. Ich würde dich lassen, wenn's 'meine' Arbeit wäre, Tom.“


„Ben, ich würd's wahr-haf-tig gern tun; aber Tante Polly – weißt du, Jim wollt's auch schon tun, aber sie ließ ihn nicht. Sid wollte es tun, aber sie ließ es ihn 'auch' nicht tun! Na, siehst du wohl, dass es nicht geht? Wenn 'du' den Zaun anstrichest und es 'passierte' was, Ben -“


„O, Unsinn! Ich will's 'so' vorsichtig machen! Nur mal versuchen! Wenn ich dir den Rest von meinem Apfel geb'?“


„Na, dann – ne, Ben, tu's nicht, ich hab' 'solche' Angst -!“


„Ich geb' dir den ganzen Apfel!“
(3)

Tom bekam den Apfel und entzog sich dem Spott seiner Mitschüler, indem er diese Anstricharbeit für sich selbst als überaus exklusives Ereignis, als rare Erfahrung und damit letztlich als höchst begehrenswert deklarierte. Er kommt so in eine Haltung, um den Verlockungen eines freien Sommertages mit Baden, Faulenzen und allen noch denkbaren Abenteuern widerstehen zu können. Und beeindruckt nachhaltig seine Freunde: Im Ergebnis verkaufte er meterweise das Anstreichen des Zauns an die, die ihn aus einer anderen Haltung heraus verhöhnt haben würden. Ein postheroischer Manager inmitten des Südstaaten-Alltags.

Und die Moral von der Geschicht? Wichtig im Management ist die Haltung zu all dem, was uns an Ungewissheiten und Unsicherheiten in den Märkten begegnet. Aber es geht nicht nur darum, neue Situationen lösungsfreundlich und quasi „optionenoffen“ umzudeuten, sondern noch um einen weiteren Schritt, der zum Ziel hat, neue Situationen möglichst effizient auszubeuten: Absorption von Ungewissheit heißt das Zauberwort. Mehr dazu im nächsten Newsletter.

(2) Text angelehnt an Witzer, Brigitte: Die Zeit der Helden ist vorbei. Persönlichkeit, Führungskunst
und Karriere. Anleitung für ein postheroisches Management.
Redline-Wirtschaft, 2005, Edition ManagerMagazin, S. 27 ff.

(3) Twain, Mark: Die Abenteuer des Tom Sawyer. (Originalausgabe von 1876).
Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin, S. 23 f.


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